Schülerinnen und Schüler zeigen sich an historischen Orten beeindruckt von der Lebensgeschichte der Ordensgründerin Maria Magdalena Postel
„Stell Dir mal vor, ich würde Dir erzählen, mir wäre im Traum ein Engel erschienen, der mir sagen würde: ‚Bau eine Kirche‘. Würdest Du dann mitmachen?“, fragt Frederic Clermont seinen Mitschüler Ivan Robledo. Auf eine solche Vision geht der Bau des Mont Saint Michel zurück, den die beiden am Dienstag besichtigten. Und ähnlich war es auch bei dem Lebenswerk der Ordensgründerin Maria Magdalena Postel, auf deren Spuren sich die beiden am Mittwoch begaben.
Zusammen mit rund 100 Mitschülerinnen und Mitschülern besuchten sie im Rahmen der Schulfahrt in die Normandie am dritten Tag der Schulreise die Abtei Saint-Sauveur-le-Vicomte, das erste Mutterhaus der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel, die vor 200 Jahren noch „Arme Töchter von der Barmherzigkeit“ hießen. Heute ist dieses Haus noch Mutterhaus der französischen Ordenskongregation.
Die Prophezeiung eines todkranken Mädchens
„Ein neunjähriges Mädchen, das im Sterben lag, hatte Julie Postel prophezeit, dass sie einmal eine Ordensgemeinschaft gründen wird. Und sie hatte ihr auch gesagt, dass schwierige Jahre vor ihr liegen, die Kongregation zu ihrem Lebensende aber die größte der Diözese Coutances sein wird“, berichtete Schwester Adelgundis Pastusiak den Jugendlichen und jungen Erwachsenen in dem ehemaligen Kapitelsaal des Klosters, wo im 19. Jahrhundert die ersten Konferenzen der schnell wachsenden Schwesterngemeinschaft stattfanden. Die Prophezeiung ging tatsächlich in Erfüllung.
Weder das 25-jährige Unterwegssein auf der Suche nach einer endgültigen Bleibe, noch der Einsturz des nach zehn Jahren mühselig wieder aufgebauten Glockenturmes konnten die Ordensgründerin davon abhalten, ihr Werk zu erfüllen. „Sie hat stets gesagt: Es ist nicht mein Werk, sondern Gottes Werk. Und Gott will es“, so Schwester Adelgundis. Auch beim zweiten Anlauf, die Ruine der ehemaligen Benediktinerabtei in St-Sauveur-le-Vicomte wieder aufzubauen, habe Maria Magdalena Postel das Wort „Gottvertrauen“ in den Grundstein einmeißeln lassen. Und die Abtei wurde doch noch vollendet.
Deutsche Schwestern sind extra angereist
„Heute könnte man sich so etwas nicht mehr vorstellen. Wer hat schon so einen Glauben?“, zeigt sich Frederic Clermont beeindruckt. Die heutigen Ordensschwestern beeindruckt das genauso. Und diese Begeisterung für ihre Gründerin geben sie in der Abtei gerne an die über 400 Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte und Mitarbeitenden des Berufskollegs weiter. Dafür waren neun von ihnen gerne aus den Bergklöstern Bestwig und Heiligenstadt angereist.
„Es ist toll zu erleben, mit welcher Leidenschaft sie uns davon erzählen“, sagt Lehrerin Mechthild Passerschröer.
Ebenso herzlich empfangen die Schwestern die Schülerinnen und Schüler in Barfleur, dem Geburtsort Julie Postels, einem Hafenstädtchen an der Atlantikküste. Hier hatte die spätere Ordensgründerin, die als Schwester den Namen Maria Magdalena annahm, nach ihrer Ausbildung an einer Benediktinerinnen-Schule eine Schule für Mädchen gegründet.
Eine Schule für Mädchen eröffnet
„Mädchen lernten damals in der Regel nur das, was sie für die Haushaltsführung benötigten. Vielleicht noch Rechnen und Lesen, aber nicht Schreiben. Unsere Ordensgründerin hatte das Glück, eine privilegierte Ausbildung zu genießen. Es war ihr ein Bedürfnis, diese Möglichkeit auch den Mädchen in ihrer Geburtsstadt zu eröffnen“, schildert Schwester Theresita Maria Müller in jenem kleinen Haus, in dem Julie Postel einst lebte und bis zu 300 Schülerinnen und Schüler unterrichtete. Von hier aus verhalf sie auch Priestern während der Französischen Revolution zur Flucht nach England. Und sie bewahrte die konsekrierten – also von den Priestern gewandelten – Hostien verbotenerweise unter einer Treppe auf und brachte Kranken die Kommunion.
„Das war über den Tag verteilt viel Input, aber es waren viele interessante Informationen“, sagt die Auszubildende Sophie Flüeck. Sie hatte zur Vorbereitung auf die Reise in die Normandie schon dabei mitgewirkt, Podcasts zu den drei sogenannten Ordensheiligen zu erstellen. Dazu gehören neben Maria Magdalena Postel auch die seliggesprochenen Schwestern Placida Viel und Martha le Bouteiller. Aber es sei eben doch etwas ganz anderes, sich jetzt selbst in der Normandie auf die Spuren dieser Schwestern zu begeben, gibt die angehende Erzieherin zu.
„Gott nimmt uns an, wie wir sind“
Wohltuend und ermutigend waren die abschließenden Worte von Schwester Gratia Feldmann in der Taufkirche Julie Postels auf der anderen Seite des Hafenbeckens in Barfleur. Sie präsentierte keine weiteren historischen Fakten, sondern erinnerte vor allem sie an den Sinn des Taufsakraments, „das uns klar macht: Wir müssen nicht so sein, wie andere es wollen. Gott nimmt uns so an, wie wir sind. Das hat uns Maria Magdalena Postel vorgelebt.“
Schwester Gratia ist froh, wenn die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein bisschen von dem für sich mitnehmen, was das Charisma der Ordensgemeinschaft bis heute ausmacht, die sich zum Ziel gesetzt hat, „die Jugend zu bilden, die Armen zu unterstützen und nach Kräften Not zu lindern.“
Sie sagt: „Ich staune, wie aufmerksam mir die Schülerinnen und Schüler in der Kirche noch nach einem langen Tag zuhören. Das gibt mir Zuversicht, dass sie ins Nachdenken kommen.“ Auch das ist Absicht dieser gemeinschaftsstiftenden Tage in der Normandie.