Berufskolleg Canisiusstift

mit Beruflichem Gymnasium

Laufrichtung

Seit zwei Wochen ist unsere Schule wieder geöffnet. Wer sie betritt, wird am Eingang von einem Desinfektionsspender mit der freundlichen Einladung empfangen, sich bitte die Hände zu desinfizieren. Anschließend weisen grüne Pfeile an der Wand den Weg durch das Gebäude, auf dass jeder sich an die Regeln halte und nur in eine Richtung das Gebäude durchschreite.

Die grünen Pfeile hängen aber nicht, wie wir es gewohnt sind, von der Decke, sondern kleben säuberlich auf Augenhöhe an der Wand.
Während die Notausgangsschilder an der Decke für den Notfall angebracht sind, der hoffentlich nie eintreten wird, sind die grünen Wandhinweise die neue Normalität. In gutem Glauben und voller Hoffnung, bei der Eindämmung des Coronavirus helfen zu können, betreten wir nun einer Art Armada von Lemmingen das Gebäude, um in einer Ausnahmesituation etwas wie Normalität herzustellen.

An jeder Tür werden wir daran erinnert zu überprüfen, ob unsere Laufrichtung noch den Vorgaben entspricht. In den Klassenräumen sitzen die Prüflinge und bald auch wieder die weiter zu beschulenden Schüler im Sicherheitsabstand und die Klassengruppen sind geteilt, sodass wir nun im Ausnahmezustand plötzlich die Klassengrößen vor uns sehen, die wir uns als Pädagogen seit Jahren wünschen.

Leider sind Gruppenarbeiten mit Mindestabstand eine schwierige, weil laute, Angelegenheit. Und doch liegt ein Charme über dieser seltsamen Atmosphäre. Die Schülerinnen und Schüler sind dankbar in die Schule gehen zu dürfen. Die Kolleginnen und Kollegen, die nicht wegen Alters oder anderer Risikofaktoren zu Hause bleiben müssen, freuen sich ebenfalls wieder mit echten Menschen arbeiten zu können und mit den Schülern nicht nur über den Computer kommunizieren zu müssen.

Und so frage ich mich, was bleibt? Was bleibt von diesem Ausnahmezustand, wenn er einst Geschichte sein wird? Was werden wir über uns, unsere Schulen und unsere Arbeit denken? Und dann erinnere ich mich an die Worte unseres Bundespräsidenten: „[…][D]ie Welt danach wird eine andere sein. Wie sie wird? Das liegt an uns!“ (Ansprache vom 11.04.2020).

Für uns als Schule sehe ich bei aller Anstrengung, bei aller Arbeit, bei aller Außergewöhnlichkeit des Arbeitens nun eine große Chance. Wenn es uns gelingt, nachdem wir die Laufrichtung wieder ändern dürfen, die neuen Freiheiten zu nutzen, kann aus den Einschränkungen dieser Tage ein Gewinn für uns Alle entstehen. Vielleicht hilft es uns, nicht wieder in den Trott des Alten zurückzugehen. Vielleicht nutzen wir die in diesen Tagen eingeübte digitale Kommunikation und andere Formen der Digitalisierung für neue Formen des Zusammenarbeitens mit den Schülern und untereinander. Vielleicht sind wir dankbarer für direkte Gespräche und nutzen diese Möglichkeit bewusster aus.

Der Onlinekatalog der Deutschen Nationalbibliothek zeigt bei der Suche nach dem Satz: „Die Krise als Chance“ 160 Treffer an, wenn man nur die beiden Wörter „Krise“ und „Chance“ nimmt, sind es noch viel mehr. Bei so viel Literatur zum Thema muss da was dran sein und da ist mit der Bibel das älteste Krisenbewältigungsbuch, das in sich eine eigene Bibliothek darstellt, nur mit einem Exemplar mitgezählt.

Ich bin gespannt auf die nächsten Wochen und ich wünsche uns, Jeder und Jedem, den je eigenen Aha-Moment, der die Chance aufleuchten lässt. Es macht bisweilen wenig Spaß, es ist hin und wieder sehr nervig, aber es ist auch eine Gelegenheit sich selbst und einander neu kennenzulernen und zu begegnen. Machen wir was draus!

Bis bald, in Vorfreude Ihr,
Thomas Bittner
Schulseelsorger am Berufskolleg Canisiusstift