Mit Palmsonntag beginnt die Heilige Woche, die uns von Jesu Einzug in Jerusalem über das letzte Abendmahl und die Kreuzigung zur Auferstehung führt. Was für ein Gefühlschaos! Es ist für Christen die wichtigste Woche des Jahres und es ist diejenige, die in allen Extremen die Gefühlsschwankungen des Menschen widerspiegelt.
Der Tradition des gregorianischen Chorals folgend jubeln wir am Palmsonntag Jesus mit der Menschenmenge zu: Hosanna, filio David: Hosianna dem Sohne Davids. Wir hören Jesu Worte in der Communio: „Vater, wenn es nicht möglich ist, dass dieser Kelch an mir vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke: So geschehe dein Wille!“ Diese Versicherung seinem himmlischen Vater gegenüber wird zur verzweifelten Bitte im 51. Psalm, der am Karfreitag gesungen wird: Miserere mei. Im ersten Vers heißt es: „Gott sei mir gnädig nach Deiner Güte“. Und schließlich erschallt am Ostersonntag das Resurrexi: Ich bin auferstanden.
Diese Bandbreite der Gefühle verdichtet sich in einer Woche des liturgischen Kalenders.
Und ich merke, wie diese Gefühlsachterbahn sich auch in meiner persönlichen Woche wiederfindet, weil die Ereignisse in der Welt und um uns herum alles Gewohnte auf den Kopf stellen: Der Beginn der Osterferien vollzog sich in diesem Jahr nicht mit jubelnden Abiturienten, die ihren letzten Schultag zum Chaostag machten. Stattdessen war die Schule leer.
Der Gottesdienst an Palmsonntag fiel aus, ebenso die restliche Liturgie zumindest für die Teilnehmer. Und es fällt schwer sich vorzustellen, wie eine Osternacht zu Hause bei einer Internetübertragung stattfinden soll. Das alles geschieht (zum Glück) bei herrlichem Wetter, der Frühling erinnert uns daran, wie schön das Leben sein kann. Zeitgleich hören wir Nachrichten von Menschen, die es „erwischt hat“, von Menschen, die an Covid 19 sterben.
Wie soll man mit diesen widersprüchlichen Gefühlen umgehen? Eine Hilfe kann die Chronologie der biblischen Ereignisse bieten. Die biblische Geschichte spart in der Passion die dunklen Momente, die Angst, den Schmerz, die (vermeintliche?) Gottverlassenheit Jesu nicht aus. Aber sie ist dort nicht zu Ende. Während die Frauen zum Grab gingen, um den Leichnam Jesu mit wohlriechenden Ölen zu salben, hörten Sie: „Er ist auferstanden; er ist nicht hier“ (Mk 16,6). Wie menschlich die Reaktion der Frauen ist: „Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich“ (Mk 16,8).
Jesus ist nicht im Grab geblieben, er ist seinen irdischen Weg bis ans bittere Ende gegangen. Aber die Geschichte, seine Geschichte geht weiter.
Die Botschaft ist (un-)glaublich. Und sie bietet Anlass zu Hoffnung. Immer wieder. Vielleicht gerade jetzt. Auch wenn Ostern in diesem Jahr anders begangen wird, ohne Gottesdienstbesuch, ohne Familienfeier, ohne Wiedersehen mit Freunden. Die Botschaft bleibt: Der Herr ist wirklich auferstanden (Lk 24, 34a).
Dass bei aller Sorge um die eigene Gesundheit oder die der Liebsten, bei Fragen um anstehende Prüfungen, ausfallenden Unterricht und Ungewissheit der kommenden Tage diese Botschaft Ihnen tragende Hoffnung sein möge wünscht Ihnen,
Thomas Bittner
(Schulseelsorger am BK Canisiusstift Ahaus)