Zur Schulfahrt des Berufskollegs Canisiusstift in die Normandie gehört auch ein Besuch des amerikanischen Soldatenfriedhofes Omaha Beach
Tief bewegt stehen die Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs Canisiusstift in diesen Tagen zwischen tausenden von Kreuzen auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof Omaha Beach. Hier liegen fast 10.000 Gefallene des Zweiten Weltkrieges. Die Schicksale dieser Amerikaner, die kaum älter sind als die Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Ahaus, berühren umso mehr, wenn man bedenkt, dass es in Europa jetzt wieder Krieg gibt. Daran erinnern die Guides, die die Gruppen über die Anlage führen.
Gewalt, Verfolgung und Flucht gab es auch zur Zeit der Ordensgründerin Maria Magdalena Postel während der Franszösischen Revolution. Davon hören die Berufsschüler an ihrem Geburtsort Barfleur. Doch erst in Omaha Beach wird ihnen bewusst, wie brutal ein Krieg sein kann.
Josianne, eine Mitarbeiterin der American Battle Monuments Commission (ABMC), die das Gedenken an die amerikanischen Soldaten in der Normandie aufrecht erhält, erzählt bei dem Rundgang mit ihrer Gruppe über den Soldatenfriedhof von den Zwillingsbrüdern Ludwig und Julius, die beide als Funker auf einem Schiff arbeiteten, das bei der Invasion der Alliierten am 6. Juni 1944, dem sogenannten D-Day, beschossen wurde.
Beide kamen ums Leben. Doch nur die Leiche von Ludwig wurde gefunden. Erst 2018 entdeckte man in einem versunkenen Wrack die sterblichen Überreste eines Menschen, den man als Julius identifizierte.
„Bis heute werden die Nachkommen in solchen Fällen ausfindig gemacht und gefragt, ob die Überreste überführt oder hier beigesetzt werden sollen“, erläutert Josianne. In diesem Fall entschied sich die Familie dafür, den Bruder ebenfalls in Omaha Beach beizusetzen. Der Leichnam von Ludwig wurde exhumiert, um ihn neben dem neuen Grab von Julius zu bestatten. „So sind die Zwillinge fast 80 Jahre später endlich wieder vereint“, berichtet die Frau, die mit den Schülerinnen und Schülern aus Ahaus zum Friedhof geht. Auch sie selbst ist von dieser Geschichte immer noch bewegt.
Aus Feinden werden Freunde
Ein paar Meter weiter hört eine Gruppe einer anderen ABMC-Mitarbeiterin dabei zu, wie sich Menschen, die im Krieg aufeinander zielten, viele Jahre später versöhnen und sogar Freundschaften zwischen ihnen entstehen. Und sie schließt mit dem Hinweis: „Ich bin Französin. Sie sind Deutsche. Damals hätten wir uns nicht begegnen dürfen. Heute führe ich Sie über diese Gedenkstätte. Hoffen wir, dass wir hier nie wieder Krieg haben.“ Diese Botschaft kommt an.
Zwei Stunden später besuchen die Schülerinnen und Schüler die ehemalige Artillerie-Batterie der Deutschen Wehrmacht bei Merville, die kurz vor dem D-Day durch britische Soldaten zerstört worden war. „Hier bekam ich mit, wie sich einige Schülerinnen und Schüler über den Tod unterhielten. Daran merkt man, wie sehr sie das Thema bewegt“, beobachtete Lehrerin Christiane Wermert.
Vortour vor einem Jahr
Und auch Charlotte Groten gehen diese Erlebnisse erneut unter die Haut. Sie gehörte zu der Gruppe des Berufskollegs, die im vergangenen Jahr zu einer Vortour in die Normandie gereist war, um die Ziele für die Fahrt der gesamten Schule anlässlich ihres 125-jährigen Bestehens auszusuchen. „Uns war klar, dass die Soldatenfriedhöfe dazugehören. Wenn man sie besucht, nehmen die Reihen der Kreuze gar kein Ende. Und wenn man sich vorstellt, dass jedes Kreuz für ein Menschenleben steht, wird einem ganz anders.“
Eine besondere Erfahrung schildert der Schüler Luca Dinkelborg in dem Blog, worin sich die Schülerinnen und Schüler über ihre Erlebnisse in Ahaus austauschen. Er las den Brief eines deutschen Luftwaffenpiloten vor, der bei den Amerikanern für seine Taten im Zweiten Weltkrieg um Entschuldigung bat. „Es waren nicht die englischen Worte, die mich hier und da stocken ließen. Es war die Tatsache, dass ich in diesem Moment all die Last und Schuld eben jenes Deutschen auch auf meinen Schultern spürte.“ Auf einmal habe er sich gefühlt wie der Verfasser, schildert der 23-Jährige diesen emotionalen Moment. Der Krieg in der Ukraine, der im Fernsehen eher abstrakt bleibt, werde auf einmal konkret.
Zu Hause verfolgen die Reise viele mit
Charlotte Groten hatte diesen Blog zuvor installiert, um den Gruppen, die jeden Tag verschiedene Orte anfahren, einen Austausch über das Erlebte anzubieten. Die angehende Erzieherin, die bereits am Berufskolleg Canisiusstift ihr Abitur gemacht hat, absolvierte anschließend eine Ausbildung als Veranstaltungskauffrau. „Ich hätte anfangs nicht gedacht, dass der Blog so gut genutzt wird.“ Aber das zeige, wie viele verschiedene Eindrücke es gebe und wie groß das Bedürfnis sei, sich auszutauschen.
Und was die 23-Jährige besonders freut: „Auch diejenigen, die zu Hause bleiben mussten, weil sie Kinder haben oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mit konnten, erfahren auf diese Weise während ihrer Projekttage, was wir hier erleben.“