Auch wenn es jetzt gestern und heute zu tauen beginnt: In der Woche vor Karneval wurden wir mit Winterwetter überrascht, wie wir es hier zuletzt selten erlebten. Und wie so oft gab es „Gewinner“ und „Verlierer“. Denjenigen, die unglücklich ihr Auto oder ihr Grundstück freischaufeln mussten, standen Kinder auf dem Schlitten gegenüber, die sich freuten, sich endlich mal „ganz anders“ fortbewegen zu können. Wer schnell irgendwohin wollte wurde „ausgebremst“ und zur Langsamkeit gezwungen. So tief war der Schnee, dass sogar „Schnee-Engel“ möglich waren. Über Nacht sah die Welt ganz anders aus, nahmen wir Wege anders wahr, mussten wir eingeübte Straßen umfahren.
So eine Zäsur erleben Christen in jedem Jahr. Immer am Aschermittwoch sollen wir für einige Wochen eingetretene Pfade verlassen. Normalerweise beendet der Aschermittwoch das bunte Treiben der Karnevalszeit, malt uns mit Asche ein Kreuz auf die Stirn als Mahnung umzukehren.
In diesem Jahr fällt mir der Beginn dieser Zeit schwerer als sonst. Ich habe das Gefühl schon seit einem Jahr auf so vieles zu verzichten, das mir gewohnt und lieb war. Und jetzt soll ich das noch verschärfen, wo ich doch schon seit Monaten auf große Feiern, Treffen mit Freunden, zwangloses Beisammensein verzichte?
Mir hilft der Gedanke, dass es beim Fasten nicht zuerst um den Verzicht an sich geht, sondern um die Idee, durch den Verzicht Kapazitäten für andere Dinge frei zu haben. Wenn ich nicht von Termin zu Termin springe, weil z.B. mein Fitnessstudio geschlossen ist, dann kann ich vielleicht spazieren gehen und dabei meinen Wohnort neu entdecken. Wenn ich nicht mit meinen Freunden ins Restaurant gehen kann, probiere ich mich selbst am Herd und vielleicht teile ich das Essen mit jemandem aus meinem Umfeld, der WG, dem Nachbarn und merke, dass selbst gekochtes Essen auch sehr lecker sein kann.
Ein Reiz an der Fastenzeit ist, dass wir wissen, was danach kommt: Ostern, das Fest der Auferstehung. Und wenn wir auch nicht wissen, wie sich die nächsten Wochen entwickeln, wann unser Leben wieder „normal“ wird, eines steht fest: Ostern wird kommen. Ganz sicher. Und so wie wir an jedem Sonntag schon ein Stück Ostern feiern, wünsche ich Ihnen jetzt schon immer wieder zwischendurch ein Stück Auferstehung, ein Stück Ostern: Eine freundliche Begegnung, ein gutes Wort, eine erfreuliche Nachricht, einen Vorgeschmack des guten, vollen Lebens.