Berufskolleg Canisiusstift

mit Beruflichem Gymnasium

Erzwungene Anderszeit

Schulen und viele Geschäfte haben geschlossen, Schüler und Lehrer, aber auch viele Eltern dürfen nicht mehr arbeiten. Was im ersten Moment wie ein Geschenk wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Mogelpackung. Schüler, Eltern und Lehrer müssen umdenken: Wie kann der Lernerfolg trotz geschlossener Schulgebäude sichergestellt werden? Eltern fragen sich, wie sie Homeoffice und Kinderbetreuung bewältigen sollen. Andere haben diese Möglichkeit gar nicht und nehmen die Kinder mit zur Arbeit oder bleiben fern. Wieder andere haben Sorge um ihren Arbeitsplatz und fragen sich, ob sie demnächst überhaupt noch Arbeit haben.
Die langfristigen Folgen der Corona-Epidemie sind noch gar nicht abzuschätzen und doch spüren wir alle schon massive Auswirkungen.

Wenn das Wetter gut ist, versuche ich, unseren Kindern und mir selbst frische Luft und Bewegung zu ermöglichen und weil sie nicht so weit entfernt ist und wir immer eine Kerze entzünden können, fahren wir in diesen Tagen häufig zur Ortskirche. Meine vierjährige Tochter geht gern dorthin, eine Kerze für die verstorbene Oma anzünden und wenn dann zufällig der Organist übt, hüpft sie vergnügt durch die in diesen Tagen leere Kirche. Bei den vergangenen Besuchen fragte sie mich nach den Bildern an der Wand. So haben wir in den letzten Tagen mehrfach den Kreuzweg betrachtet (wie passend in der Fastenzeit) und ich habe mich selbst dabei ertappt, wie ich dachte, ob das wohl etwas für Kinder sei. Immerhin stellen diese Bilder zum Teil brutale Szenen dar. Aber meine Tochter ist da kindlich neugierig und fragt nach, warum dieses und jenes so sei.

Heute jedoch machte sie mich sprachlos. „Papa, warum macht Jesus eigentlich keine Pause, wenn er mit dem Kreuz immer hinfällt?“ Ich antwortete ihr, dass man ihn gezwungen habe, das Kreuz zu tragen und dass er daher keine oder nur kurze Pausen machen durfte. Für sie war das damit erledigt, mich hat das Wort „Pause“ jedoch noch länger beschäftigt. Denn Pausen hat Jesus gemacht und von einigen wissen wir. Er hat sie genutzt, um sich seiner Sendung, seines Verhältnisses zu Gott klar zu werden.

Einige von uns haben nun erzwungene Pause oder zumindest anders zu tun als sonst, sie haben eine „Anderszeit“. Vielleicht hilft uns diese Zeit, auch uns klarzuwerden, wie unsere Beziehung zu Gott ist. Vielleicht können wir uns jetzt Zeit nehmen, Kontakt zu ihm zu suchen, wo doch der Kontakt zu anderen Menschen so sehr eingeschränkt wird. Und vielleicht versuchen wir es mit einem Gebet. Jeder so wie er oder sie mag. Wer nicht weiß, wie das geht, findet im Internet vielfältige Hilfe.

Vergessen werden soll dabei nicht, dass es in diesen Tagen auch viele Menschen gibt, die sich den Luxus, über eine „Anderszeit“ nachzudenken, nicht leisten können. Menschen, die Existenzängste haben, Menschen, die sich um ihre eigene Gesundheit oder die ihrer Liebsten sorgen. Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten und bis an den Rand ihrer Kraft für andere da sind. Vielleicht ist diese Zeit auch eine, in der wir solidarisch sein können, indem wir nicht nur miteinander, sondern auch füreinander beten.

Und diejenigen, die es sich im Wortsinne leisten können, beten für die anderen mit, weil diese in Kliniken, Praxen, Lebensmittelgeschäften, Speditionen, Apotheken, Altenheimen usw. bis zur Erschöpfung arbeiten und höchstens noch zu einem Stoßgebet in der Lage sind. Nehmen wir sie mit in unsere Gedanken und drücken wir ihnen unsere Wertschätzung und Dankbarkeit aus. Wenn die Krise vorbei ist, wird es darum gehen, diese Wertschätzung auch in Arbeitsbedingungen und Bezahlung umzumünzen. Aber das ist ein nächster Schritt. Zunächst helfen wir ihnen mit vernünftigem Verhalten und vielleicht auch einem stellvertretenden Gebet.

Mögen Sie alle gesund bleiben oder es möglichst schnell wieder werden.
Th. Bittner
Schulseelsorger am Berufskolleg Cansisiustift Ahaus