Wie fühlt sich Fremdenfeindlichkeit für die Betroffenen an? Diese Frage versuchten die angehenden Sozialassistenten unseres Berufskollegs in einem Projekt zu beantworten.
Am Vormittag des 11. November, dem Martinstag, sorgten die Schüler/innen in der Ahauser Innenstadt für Irritationen. Auf Kisten standen fünf von ihnen mit verbundenen Augen in der Fußgängerzone verteilt. Um den Hals gehängt hatten sie sich ein Schild mit der Aufschrift: „Entschuldigen Sie, ich brauche Hilfe! Ich muss um 10:30 Uhr am Canisiusstift Ahaus sein.“ Jedem Hilflosen war ein Aufpasser zugeordnet, der die Reaktionen der Passanten anhand eines zuvor im Unterricht selbst erstellten Beobachtungsbogens dokumentierte. Die Irritation der Passanten gelang. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich.
Einer Schülerin wurde bereits nach vier Minuten geholfen, einer weiteren nach 20 Minuten, ein Schüler stand 1,5 Stunden, ohne dass ihm Hilfe entgegen gebracht wurde. Im Schnitt wurden die Schüler drei bis vier Mal angesprochen; weil sie jedoch wie vereinbart nicht antworteten, gingen die Personen weiter. So sollte verdeutlicht werden, dass auch Menschen ohne deutsche Sprachkenntnisse Hilfe brauchen, und diese können sich ebenfalls nicht äußern.
Auffällig war, dass viele Frauen Hilfe angeboten haben und ihre Zeit opferten. Das lag wahrscheinlich daran, dass vier der Hilfesuchenden weiblich waren. Der einzige männliche Schüler wurde sogar verspottet, beschimpft und ausgelacht. Bei der anschließenden Reflektion des Projektes kam ein geteiltes Meinungsbild zustande:
Mehrere Schülerinnen machten die Erfahrung, dass ihnen geholfen wurde und dass die Passanten die Aktion positiv unterstützten. So auch Laura Vanella vom Eiscafé Capri, die, um eine Schülerin begleiten zu können, sogar ihre Arbeit ruhen ließ: „Ich konnte sie doch nicht so da stehen lassen. Wenn ich helfen kann, dann immer gerne!“ In Gesprächen wurde auch deutlich, dass viele die Bereitschaft hätten, Flüchtlingen zu helfen, wenn sie dazu aufgefordert würden. Dem gegenüber fiel dem einzigen männlichen Schüler auf, dass die Hilfsbereitschaft der Passanten davon abhing, welchem Geschlecht man angehörte. Er fühlte sich diskriminiert. Andererseits scheint es verständlich, dass die Hemmschwelle, einen fremden Mann anzusprechen, größer ist als bei einer Frau. Insgesamt waren die Schülerinnen und Schüler mit der Durchführung des Projekts sehr zufrieden: „Wir haben viele positive Reaktionen von den Passanten erhalten.“